Am Himmel Bleiwolken. Es wird regnen. Aber ich bin ja im Trockenen. Draußen treibt jetzt ein Sturm die Wolken vor sich her. Der erste Blitz. Dann das Krachen. Bis ins Abteil zu hören. Der Zug rollt unbeeindruckt. Ich hasse Sturm und natürlich habe ich keinen Regenschirm mit, wie immer! Mir gegenüber sitzen zwei Männer. Einer von ihnen ist nett. Braune Haare, braune Augen, hübsche Nase. Was für ein Mann! Er wäre sehr gut... Andrea! Woran denkst du denn?! Du hast schon einen Freund! Aber der Mann sieht wirklich gut aus. Seine Augen werde ich bestimmt nicht vergessen. Männer. Sie sind was Besonderes. Irgendwie geheimnisvoll. Manche haben sogar Geld. Oder Einfluss. Oder beides. Als Politiker zum Beispiel. Politik! Die meisten Politiker sind schon alt und interessieren mich nicht. Geld interessiert mich auch nicht. Aber es ist gut, wenn man es hat. Blitz und zugleich der Knall. Das war nahe. Ich muss zusammengezuckt sein, der Kerl gegenüber lächelt. Der macht mich verrückt! Auf dem Bahnhof wartet Viktor. Wie wäre es mit zwei Männern? Ein bisschen viel - vielleicht. Jetzt tut der Kerl, als schliefe er. Süß, wie er so schläft! Ob ich mich einfach neben ihn setze? Andrea! Denk lieber an deinen Viktor! Jetzt öffnet dieser Schauspieler seine Augen. Und sieht mich an! O Gott... Ruhig bleiben, Andrea! Wie wäre es, wenn er mein Mann wäre? Abschalten! Die Gedanken abschalten. Ob er wohl ein guter Vater wäre? Wie komme ich bloß darauf? Kinder sind noch lange nicht eingeplant. Bestimmt kann er gut küssen. Viktor aber auch. Wie sich wohl sein Körper anfühlt? Jetzt aber Schluss. Andrea, du solltest lieber schlafen oder ins Buch schauen! Lange Beine, brettharter Bauch... Macht mich das Wetter verrückt?
Ein Krachen. Wo bin ich? Natürlich, ich habe geschlafen, wie immer. Der Platz gegenüber ist leer. Aber der Mann war doch kein Traum!? Der Bahnhof. Gut so. Aber wie wäre es... Nein, es ist gut so, wie es ist. Und wenn nicht? Ach... Aussteigen. Viktor winkt. Ein langer Kuss. Seltsam, irgendwie schmeckt er nach braunen Augen...
(2005)