Lyrik und Prosa



P: Der Name auf dem Baum der Seele

So schön ist der Wald im Winter. Manche Menschen sagen, in dieser Zeit wäre er tot. Aber ich weiß, dass es zwischen den kahlen Bäumen Leben gibt. Im Wald spazierend finde ich Spuren vom Wildschwein, vom Fuchs und vom Hirsch. Manchmal sehe ich kleine Vögel. Vor zwei Tagen habe ich einen Baum entdeckt. In seinen Stamm sind zwei Buchstaben und eine Jahreszahl eingeritzt worden. Wenn ich die Macht hätte, würde ich die alten Bäume fragen, was sie gesehen und durchlebt haben. Sie sagen nichts, aber ihre Zweige erzählen über den Lebenszyklus der Natur.
In meinem Herzen ist auch ein Baum, ein Wunderbaum. Seine Blätter sind die schönen Gedanken von mir, seine Äste sind die Menschen, die zu den Gedanken gehören, seine Zweige sind die Verbindungen zu diesen Menschen, und sein Stamm ist meine Seele. Auf diesem Stamm steht ein Name, der Name von einem guten Mann, der meine Texte oft – aber gerecht – kritisierte, gute Laune im Weinkeller hatte und vielen Autoren beim Schreiben geholfen hat. Ich weiß, wir werden wieder in Willand sein und gute Stimmung haben und wir werden viele Verse – gute und nicht so gute – dichten, Texte schreiben, aber das weiß ich auch: Der Wein wird etwas anders schmecken und die Zusammenkünfte werden nie mehr so sein wie früher. Trotzdem ich bin nicht traurig, denn sein Name ist schon längst tief in den Stamm meiner Seele geprägt worden: Helmut Rudolf.

Fünfkirchen-Vasas,3.Januar 2008