Lyrik und Prosa



1. A.Bock: Bluttropfen

„Ich bin bereit, denn es ist Zeit
Für unser'n Pakt über die Ewigkeit
Du bist schon da,
Ganz nah
Ich kann Dich spür'n
Laß mich verführ'n, laß mich entführ'n
Heute Nacht zum letzten Mal
Ergeben deiner Macht
Reich mir die Hand, mein Leben
Nenn mir den Preis
Ich schenk' Dir gestern, heute und morgen
Und dann schließt sich der Kreis
Kein Weg zurück,
Das weiße Licht rückt näher, Stück für Stück
Will mich ergeben
Muß ich denn sterben,
Um zu leben?“
(Falco – Out of the Dark)

A. Bock
Bluttropfen

Dichter Nebel legte sich über den Wald. Die Umgebung der Burg Cséjthe wurde trüb und dunkel. Die Zweige der Bäume ragten als knöcherige Hände von Gespenstern aus dem Düster empor. Es war Spätherbst. Gräfin Elisabeth Báthory hasste diese Jahreszeit, sie erinnerte sie an die Vergänglichkeit.
Die Gräfin saß allein vor dem Ankleidetisch. Der Spiegel wurde zugedeckt. Elisabeth hatte ihn aus Wut zerbrochen, denn sie hatte früher auf ihrem Gesicht kleine Augenringe entdeckt, und was sie nicht dulden konnte, dass sie langsam ihre Schönheit verliert.
Kühler Hauch streifte Elisabeths Genick, obwohl das Fenster geschlossen war. Sie drehte sich um, und in dem Zwielicht des Schlafsaals sah sie eine flügelige Gestalt hinter dem roten Samtvorhang.
„Wer ist da?“
„Nur ich, meine Gräfin.“
Ein junger langhaariger Mann trat hervor.
„Mein Name ist Bolduhr“, sagte er, und kam näher.
„Wie konntest du rein? Wache!“
„Warte, meine Herrin!“
Bolduhr ging zum Tisch, und zog die Decke vom Spiegel herunter.
„Sieh dich an!“
Der Spiegel wurde plötzlich heil. Elisabeth erschrak.
„Wer bist du? Was willst du von mir?“
„Schau dich an! Du bist so herrlich, wie eine Göttin, ich bewundere dich, aber die Jahre vergehen schnell. Willst du den Schmelz deiner Haut verlieren?“, wisperte er.
Bolduhr berührte Elisabeths Schulter.
„Ja, ich fühle, was deine Seele wünscht.“
„Ich will, dass du verschwindest! Wache!“
„Sei nicht böse! Ich bin hierhergekommen, um dich zu helfen. Aber wenn du unbedingt faltig werden möchtest…“
Die Wachen drangen in den Schlafsaal.
„Herr Kapitän, wo ist Marika?“, fragte die Gräfin.
„Die Dienerin ist in der Küche.“
„Sie soll kommen!“
„Zu Befehl!“ erwiderte der Kapitän, aber es schien so, er wolle den Raum nicht verlassen. „Soll Marika Wein und Essen für unseren Gast holen?“
Das Wort „Gast“ betonte er so, dass jeder in dem Zimmer wusste, er freut sich nicht über den Spätbesuch.
„Ja“, sagte Elisabeth, und winkte den Wachen, sie können gehen.
Bald kam die Dienerin herein.
„Kämme mich!“
Marika nahm eine mit Korunde geschmückter Bürste hervor und fing an ihre Herrin zu kämmen. Sie blickte den Gast an, aber ein Dämon griente zurück. Die Dienerin erschauderte und zog versehentlich Elisabeths Haare an.
„Du Narr!“ Die Gräfin schlug Marika aus voller Wut so, dass die Mund der Dienerin aufklaffte und begann zu bluten.
Bolduhr grinste, er fasste schnell Marikas Hände an, gab ihr einen Kuss, inzwischen er biss in ihren Mund. Die Dienerin schrie auf, doch der Dämon ließ sie nicht frei. Ihr Blut tropfte auf die Hand der Gräfin.
„Ruhe!“ Elisabeth wandte sich wütend an Bolduhr.
Der Dämon kniete sich vor der Gräfin nieder. Seit dem Tod von dem Burgherrn hat sie nicht so einen schönen Mann gesehen: im Zopf zusammengenommene schwarze Haare, braunrote Augen, marmorweiße Haut…
Und der Dämon spürte, er hatte Elisabeths Herz in Flammen gesetzt.
„Das Blut ist das Lebenselixier, meine Herrin. Koste es, du wirst die Schönste der Welt sein.“
„Nein!“
Bolduhr verschmierte den Bluttropfen und leckte ihn ab.
„Fühlst du das Kribbeln unter deiner Haut?“ flüsterte er.
Elisabeth wandte dem Spiegel zu.
Bolduhr stand auf.
„Schau, das wirst du bald sein.“ Der Spiegel wurde trüb und dann wieder klar. „Eine faltige hässliche Frau, die die jüngeren Männer unter sich nur „alte Hexe“ bezeichnen werden. Oder…“
Im Spiegel zeigte sich ein anderes Bild.
„Oder du wirst schön und jung bleiben, und alle Menschen auf der Welt werden dich bewundern. Du wirst ihre lebendige Göttin sein, sie werden dich für ewig und immer verehren. Blut trinken ist keine Sünde, du brauchst dafür nicht zu töten. Deine Leibeigenen werden dir aus ihren eigenen Willen Blut geben, um dich am Leben zu halten.“
„Ist das alles? Es genügt einen Becher Blut und nichts mehr?“
„Ja, ich verspreche, du wirst dein neues Leben genießen.“
„Morgen werde ich…“
„Du sollst jetzt wählen! Bis zur Morgendämmerung haben wir nicht so viel Zeit.“
„Was muss ich nun tun?“, fragte Elisabeth.
Bolduhr ging hinter Marika, zerriss vorne das weiße Leinenhemd, und streichelte ihre Büste.
„Komm näher, meine Herrin! Siehst du, wie schön ihre Haut ist? Aber was wertvoller ist, ist ihr Blut, denn sie ist noch eine Jungfrau. Du kannst es noch nicht riechen, aber später wirst du diesen Duft nicht verfehlen. Ihr Blut gibt dir das, wonach du dich sehnst. Beiße sie einfach am Nacken.“
„Das ist ein Unsinn!“
„Bitte, entschuldige mich!“ Bolduhr ging zum Tisch, hob ein Messer auf, schnitt in Marikas Hand, und ließ ihr Blut in einen Becher fließen. Die Dienerin weinte.
„Die Wachen werden hereinkommen“, sagte Elisabeth, aber sie konnte ihre Augen von Bolduhr nicht abwenden.
„Nein, sie werden nicht hereinkommen, sie schlafen jetzt tief.“
Als der Becher voll war, er reichte ihn zu Elisabeth.
„Trinke!“
„Ich kann nicht, es ist so ekelhaft.“
„Trinke es!“
Elisabeth nahm den Becher an, wartete noch einige Sekunden, und schließlich begann zu trinken.
Bolduhr lächelte.
„Gut so! Und von nun an gehört deine Seele mir!“
Als sie das Trinken beendete, er gab ihr einen langen Kuss, währenddessen löste er ihren Seidengürtel. Dann wandte er sich wieder der Dienerin zu, und fesselte sie zum Baldachinbett.
„Was willst du mit ihr machen?“
„Selten kriege ich eine Jungfrau zwischen die Finger.“ Bolduhr nahm seine Schnürhemd ab.
„Was? Nein! Lass sie in Ruhe! Das kannst du nicht machen!“
Aber er beachtete auf die Gräfin nicht, er zerriss Marikas Überrock.
„Sie ist doch noch ein Kind! Nimm mich!“
„Dich habe ich schon!“ Und Bolduhr zerfetzte den Unterrock.
„Das werde ich nicht zulassen!“ Elisabeth ging wütend zum Bett um Marikas Hände zu befreien, aber aus dem schönen Mann wurde einer schauerlicher Dämon.
„Sie gehört mir!“, sagte er mit teuflischer Stimme, und er stieß die Gräfin in die Ecke des Raumes.
Elisabeth schaute verzweifelt auf die Dienerin.
Marika begann zu beten, aber Bolduhr hielt ihr mit einer Hand den Mund zu.
Plötzlich wurde im Schlafsaal blendend hell.
„Lass sie frei!“
„Wer bist du?“, wisperte Elisabeth, denn sie sah nur die Flügel und ein flammendes Schwert.
„Michael! Was für eine Überraschung!“, grinste der Dämon.
„Lass sie frei, Bolduhr!“
„Sonst was? Ich fürchte mich nicht von dir, mein Bruder!“
„Ihre Seele kannst du nicht bekommen!“
Der Erzengel wollte sein Schwert durch Bolduhrs Körper stechen, aber der Dämon sprang blitzschnell weg.
„Du hast dich verlangsamt, Michael!“
Bolduhr warf sofort einen Feuerball nach Michael, aber er wehrte den Angriff leicht ab.
Währenddessen Elisabeth kroch zu Marika, machte ihre Hände frei und zog sie in die Ecke.
Der Dämon stürzte den Tisch um, sprühte Flammen auf Michael, wer wich rasch das Feuer aus und landete neben Bolduhr.
Der Engel erhob sein Schwert.
„Geh zurück in die Hölle!“, donnerte er und schlug den Dämon nieder.
Bolduhr fiel auf den Boden.
„Du kannst mich töten, doch ich werde wiederkehren!“, sagte er und verglomm.
„Ich weiß, Bruder, ich weiß.“
Michael drehte sich um.
Die Dienerin zitterte am ganzen Körper.
„Mein Kind, du brauchst dich nicht mehr zu fürchten, du bist im Himmel erwartet.“
Eine durchsichtige Taube entstieg von der Ecke, Marikas Leib fiel leblos in die Armen der Gräfin.
„Dich, Elisabeth, kann ich nicht retten.“
„Ich bereue sehr, was ich getan habe! Gott, vergib mir!“
Der Engel wollte der Taube hinterher fliegen, aber ein Lichtstrahl beleuchtete sein Gesicht.
Michael wandte sich zurück zur Gräfin.
„Du wirst für deine Sünden büßen, dein Tod wird qualvoll sein, doch der Herr gibt dir die Wahl: wenn du nochmal Blut trinkst, und der Dämon wird dich bestimmt mehrmals in Versuchung führen, wirst du in der Hölle verderben. Aber wenn du ein anständiges Leben führst, so komme ich nach deinem Tod wieder, um mit Bolduhr für deine Seele zu kämpfen.
Du musst verstehen, Elisabeth, du kämpfst vergeblich gegen das Altern. Die Schönheit entspringt von innen.“